Freitag, 6. Dezember 2024, um 11:22 Uhr
Eingeboren Sein
Ich fühle mich nicht heimisch. Soll das so sein?
Heute, in dieser modernen Welt, könnten wir uns unser Leben lang selbst optimieren und würden dennoch am Ende spüren, dass etwas ganz Entscheidendes gefehlt haben wird.
Wo ... sind die Wurzeln?
Ich komm aus der Wüste
„Durch die Wüste“, Ton Steine Scherben
aus Stahl und Glas
ich komm aus der Wüste
aus Angst und Hass
Ich bin in der Platte in Hoyerwerda aufgewachsen. Als Kind wollte ich immer ein „Indianer“ sein und kroch mit Stöcken durch die Büsche. Ich hatte die Söhne der Großen Bärin und das Blut des Adlers gelesen, die das Leben der Dakota beschreiben, und viele andere Bücher, die noch immer im Schrank meiner Mutter stehen. Ich war beflügelt von der Vorstellung irgendwann einmal ein eigenes Tipi, einen richtigen Bogen, ein Pferd und ganz viel Natur um mich haben zu können. Ich wollte lange, glatte, schwarze Haare haben! Aber selbst als ich mit 15 feststellte, dass ich Locken habe und meine Haare sehr dünn sind, wollte ich an der Idee dieses anderen Lebens festhalten. Ich fragte meine Eltern als Schulkind: wann kann ich denn endlich das machen was ich will? 12 Jahre in die Schule gehen, und dann muss ich arbeiten so wie ihr? Und das bis zur Rente?!
Dieser „Ernst des Lebens“ ging nicht in meinen Kopf rein. Wenn die Dakota so gut im Kontakt mit ihrer Umwelt sein konnten, warum können wir das dann nicht auch? Wir halten uns doch für so fortschrittlich!
Als ich von Zuhause auszog, wollte ich „die Welt verändern“ und dafür stürzte ich mich in ein Design-Studium für Multimedia und VR, denn mir kamen die „neuen Medien“, die uns zu besseren Menschen erziehen sollten, wie gerufen. Irgendwann mit 25, stellte ich dann enttäuscht fest, dass alles, was die direkte, zwischenmenschliche Kommunikation überbrückt, diese auch nachträglich stören kann. Ein Medium, ein Spiel, auch ein Kunstwerk, muss nach seiner Wirkung beurteilt werden, nicht nach seiner Intention. Ein paar Chatnachrichten können Freundschaften zerstören. „Social“-Media-Plattformen gefährden heute sogar ganze Demokratien. Wenn wir einmal drin stecken, sehen wir nicht mehr durch, selbst wenn wir uns selbst für super-klug halten. Die Matrix hat uns.
Wenn aber die Unterhaltungsindustire und die Kommunikationsmedien nicht tun was sie sollen, wie treten wir dann miteinander in Beziehung?
Ja ... wie denn?
Na, vielleicht sollten wir weniger komfortabel leben und uns ab-und-zu auf der Straße und in öffentlichen Orten über den Weg laufen? Vielleicht sollten wir doch wieder mehr Zeit im gleichen Raum verbringen? Einander riechen, sehen, hören, fühlen, mit oder ohne Maske? Vielleicht sollten wir Dinge ausdiskutieren, statt unsere Stimmen abzugeben? Das ist jedenfalls meine einfachste Antwort auf die Frage.
Seit über 10 Jahren schon fallen mir die Haare aus, aber dieses Jahr begriff ich, dass auch das, was ich mit meiner Kunst beschreiben und herbeizaubern will, eigentlich noch immer die Gemeinschaft ist. Denn in einer Gemeinschaft, die kontinuierlich gemeinsam geschaffen wird, ergibt das Leben überhaupt erst einen Sinn. Mein Wunsch, ein Dakotajunge zu sein, war genaugenommen die Sehnsucht nach einer Kultur des Zusammenlebens, die mich einfach einen Eingeborenen dieser Erde sein lässt. Ein Instrument lässt mich mit ihr in Übereinstimmung sein.
Hier bin ich geborn
„Hier bin ich geborn“, Gerhard Gundermann
So wie ins Wasser fiel der Stein
Hier hat mich mein Gott verlorn
Und hier holt er mich wieder ein